Du hast also Asatru entdeckt und du bist super glücklich darüber, endlich etwas gefunden zu haben, dass dich wirklich anspricht und zu dir passt, wie du das vorher noch nicht kanntest. Hey, vielleicht fühlt es sich sogar an, als hättest du einen Schatz entdeckt, ein Stück von der Welt, das vorher gefehlt hat und jetzt ist die Welt vollständig. Und jetzt musst du erst mal rausfinden, wie das alles funktioniert und du weisst nicht, wo du anfangen sollst und brauchst ein paar grundsätzliche Ratschläge, wie du dich entwickeln kannst und wie du die Menschen um dich dazu bringst, dich ernst zu nehmen.
Hier sind ein paar Dinge, die ich dir empfehle zu tun, oder eben nicht:
Dinge, die du tun solltest
Lies die Geschichten:
Das scheint eine einfache Sache zu sein, aber da steckt einiges dahinter. Am Einfachsten ist es, sich mit der nordischen Mythologie vertraut zu machen. Zwar gehört viel mehr zu den verschiedenen heidnischen Traditionen als nur die nordische Mythologie, aber das ist der grösste Teil der pan-germanischen Mythen, die überlebt haben, und so ist es sinnvoll, sich damit auseinander zu setzen. Quellen wie die Lieder-Edda und die Prosa-Edda (Snorra-Edda) enthalten die meisten der Mythen, aber sie können am Anfang ziemlich schwierig zu verstehen sein. Es gibt gute und verständliche Ausführungen der Edda von sekundären Autoren, ich werde Ausschau halten, nach konkreten Buchempfehlungen um diese nach Möglichkeit hier nachzuführen.
Lies moderne Ressourcen:
Es gibt viele gute Werke von intelligenten und gebildeten Leuten, welche beachtliche Mengen an Zeit und Arbeit investiert haben, unseren Glauben und Art zu Leben zu rekonstruieren. Nimm dir Zeit, ihre Werke zu lesen und über die modernen Praktiken der heidnischen Landschaft zu lernen.
Es gibt noch andere Quellen da draussen, Blogs und Webseiten miteingeschlossen, welche gute Informationen enthalten. Schau sie dir an. Je mehr Informationen du hast, desto besser.
Rede mit anderen Heiden:
Das Internet ist ein grossartiges Werkzeug, um dich mit anderen zu verbinden. Es ist kein Ersatz für persönlichen Kontakt in der Welt da draussen, aber vielleicht bist du alleine in weitem Umkreis, und da kann das Internet die Rettung sein. So oder so, lerne andere kennen. Nicht jeder, den du kennen lernst, wird es Wert sein, deine Zeit zu investieren. Aber die meisten sind anständige und aufrichtige Menschen, die es ehrlich meinen.
Es ist einfach, sich auf die Unterschiede zu fixieren, aber obwohl wir alle sehr unterschiedlich sind, haben wir doch vieles das uns eint.
(Für Schweizer: Asatru Schweiz hat einen monatlichen Stammtisch in Zürich, zu dem sich jeder anmelden und vorbei schauen kann. Für Deutsche: Es gibt viele lokale Gruppierungen und auch ein paar grössere, die man übers Internet/Google/Facebook etc. finden kann.)
Mach dir deine eigenen Gedanken:
Ohne Zweifel werden dich die Menschen, die du kennen lernst, beeinflussen in deiner Entwicklung. Das kann etwas Gutes oder etwas Schlechtes sein. Was aber wichtig ist, ist dass du dir deine eigenen Gedanken machst. Denke für dich selber über die Dinge nach. Nur weil dir jemand etwas erzählt, der viel zu wissen scheint, muss nicht heissen, dass was er dir erzählt auch stimmt oder dir etwas nützt. Nur weil du ihm nicht zustimmt, muss auch nicht heissen, dass er falsch liegt. Es gibt nicht nur einen richtigen Weg etwas zu tun, und Menschen interpretieren Dinge unterschiedlich. Nimm dir die Zeit, alles was dir präsentiert wird, so objektiv wie möglich für dich abzuwägen. Überprüfe die Quellen, falls nötig, aber glaube nicht einfach alles, was dir erzählt wird.
Übe deinen Glauben aus:
Was Neugläubige oft machen, ist die effektive Praxis ihres neuen Glaubens rauszuschieben, weil sie nicht wissen, was sie tun sollen. Die Realität ist, dass das was du am Tag eins tust, wahrscheinlich nichts mit dem zu tun hat, was du in zehn Jahren praktizieren wirst. Wir alle wachsen, verändern uns, lernen dazu und entwickeln uns. In den irgendwo um die 40 Jahre seit der Wiedergeburt unseres Weges wurden die unterschiedlichsten Arten und Methoden entwickelt. Manche waren besser als andere, aber alles hat sich mehrfach verändert. Wir alle arbeiten daran, die Dinge so gut wie möglich wiederzubeleben und in die heutige Zeit zu integrieren, und das bedeutet, dass wir alle unsere Praktiken verändern, während wir Neues dazu lernen und besser darin werden.
Einige Beispiele wie so etwas aussehen kann, findest du vielleicht in ein paar Foren-Einträgen hier, oder in einem der Bücher, das du liest, oder einer anderen Quelle. Es gibt viele Stellen, wo man anfangen kann.
Stelle Fragen:
Das sollte selbsterklärend sein. Es gibt Dinge, die wir alle nicht wissen, also traue dich ruhig, Fragen zu stellen. Du wirst wahrscheinlich irgendetwas fragen, was irgendjemand für dumm halten wird. Scheiss drauf, frag trotzdem nach. Du kannst nicht dazulernen, wenn du keine Fragen stellst.
Sei vorsichtig mit dem Met/Bier/etc:
Ein Horn mit gutem Met ist eine gute Sache – bis es das nicht mehr ist. Odin hat da auch ein paar gewichtige Sachen dazu zu sagen.
Dinge, die du nicht tun solltest
Dich schlecht behandeln lassen:
Vorweg, die meisten Heiden, du persönlich treffen wirst, sind wahrscheinlich nette Leute. Aber gerade online wirst du eine dicke Haut brauchen. Ich weiss nicht, was los ist mit manchen Facebook-Gruppen und Online-Boards, aber im Internet benehmen sich manche wie Idioten, was sie sich in echt so gar nicht trauen würden. Manchmal sind sie auch einfach direkt und verletzen dabei deine Gefühle, obwohl das nicht ihre Absicht war. Eine dicke Haut zu entwickeln, hilft da. Trotz all dem, lass dich nicht schlecht behandeln. Verhalte dich höflich und mit Würde, aber lass dich nicht von einem «Platzhirschen» mobben. Es kann sein, dass du Abstand nehmen musst von Online- oder anderen Gruppen, aber am Ende ist es das nicht wert.
Special Snowflake-Syndrom entwickeln:
Was auch immer du tust, fang dir das nicht ein. Die Webseite «Urban Dictionary» definiert Special Snowflake-Syndrom als «eine Krankheit, die signifikante Teile der Weltbevölkerung befallen hat, die den Betroffenen dazu bringt, Spezialbehandlung zu verlangen, sich benimmt mit einer irrsinnigen, unbegründeten Erwartung nach Sonderrechten und generell das Leben aller Menschen um sich miserabel macht.» Was hier halb scherzhaft, halb ernst gemeint ist, ist in der Realität ganz simpel. Nur weil du etwas «erlebt hast» oder «ganz fest daran glaubst», gibt dir nicht das Recht, dass andere dich ernst nehmen, ganz egal, wieviel Glaubwürdigkeit du hast.
Deine Fantasie Amok laufen lassen:
Nichts zerstört Glaubwürdigkeit so schnell und lässt andere glauben, das du ein Witz bist, als wenn du versuchst Glaubwürdigkeit aufzubauen indem du anderen davon erzählst, wie mächtig deine Magie ist, wie du einen berühmten Wikinger als Vorfahren hast, dass du von Elfen abstammst, oder andere bizarre Dinge. Dieses Benehmen ist nicht unbedingt unüblich in manchen Neo-Paganen Kreisen, aber damit machst du dich eher lächerlich oder bringst andere dazu, zu denken, du seist irre oder aber ein Rollenspieler in einem Fantasy-Spiel. Siehe auch: Special Snowflake Syndrom.
Wir haben keine «Bibel»:
Einer der häufigeren Fehlannahmen den viele Leute machen, ist anzunehmen, die Mythen (vor allem die Edda) sei eine Art «heilige Schrift». Wir haben nicht so etwas wie eine Bibel. Die Versionen, die von den Mythen niedergeschrieben wurden, sind einfach nur das, Versionen. Besser gesagt, es sind die Varianten, die überlebt haben. Die unterschiedlichen Stämme, Clans, Familien aller heidnischer Kulturen hatten ihre eigenen Versionen und ihr eigenes Verständnis und eine ist nicht korrekter als die andere. Die Lieder-Edda hat gute Ratschläge darin, aber sie ist nicht das heilige Wort des Gottes Odins das perfekt und unfehlbar an uns weitergegeben wurde. Einfach nicht.
Monotheistische Einstellungen:
Vielleicht weil man es so kennt aus anderen Religionen, oder aus einem anderen Grund denken viele Neu-Heiden, dass sie verpflichtet sind, aus den vielen Göttern im Asatru einen als ihren persönlichen speziellen Schutzgott oder Göttin oder Patron auszuwählen. Das ist nicht wirklich, wie es funktioniert. Viele Götter zu kennen, heisst viele potentielle Freunde und Verbündete zu haben. Mit der Zeit wirst du dich manchen davon näher fühlen, als anderen. Sogar dann gibt es nicht wirklich eine Notwendigkeit, ein solches Bündnis auszurufen. Manche tun dies, aber es ist besser, sich mehrere Jahre Zeit zu lassen, sich Gedanken zu machen und Erfahrungen zu sammeln. Viele Heiden wählen nie eine einzelne Gottheit so aus. Nicht, dass das falsch wäre, es ist einfach nicht notwendig. Dich eine Woche nachdem du entschieden hast, Heide zu werden dich direkt Odin zu weihen, ist wahrscheinlich ins Besondere nicht das Schlauste, das du tun kannst. Ja, Odin ist der Anführer der Aesir und sehr mächtig. Er ist auch komplexer als du dir im Moment überhaupt vorstellen kannst. Wenn du diesen Drang hast, halte ihn zurück, vielleicht für immer.
Voreilige Eide schwören:
Zu entdecken, dass das was man sagt, Bedeutung hat und wichtig ist, kann wunderbar sein. Auch wenn Eide im juristischen Sinne in der Gesellschaft weitestgehend von schriftlichen Verträgen abgelöst wurden, kann ein Eid noch immer eine immense spirituelle Bedeutung haben. Du magst dich hingerissen fühlen, dich dem Odin zu schwören, oder einem Freund, der dir im Moment sehr nah und wichtig ist. Tu’s nicht. Einerseits wieder, weil es selten nötig ist. Denn was wir tun ist noch wichtiger als was wir sagen. Wenn du eine spezielle Verbindung spürst mit jemandem, dann handle danach und kümmere dich um diese Beziehung. Spar dir die überschwänglichen, grossen Worte in der Öffentlichkeit, um gut überlegte Aufgaben und Grenzsteine in deinem Leben anzukündigen. Freunde kommen und gehen. Du kannst einen Eid brechen, aber du kannst ihn nicht zurücknehmen.
Dein Umfeld bekehren:
Geh nicht missionieren. Wenn du denkst, dass Asatru etwas Wunderbares ist: Wir sind der gleichen Meinung. Falls du deiner Familie, deinen Freunden und Arbeitskollegen erzählen willst, dass du Heide bist, super. Falls sie fragen, was das alles überhaupt ist, erzähls ihnen. Aber behalt im Hinterkopf, dass obwohl das Heidentum für dich das Richtige ist, muss es das nicht für jeden anderen auch sein. Und gegenteilig zu anderen Religionen sage ich dir auch: Es gibt auch keinen Grund, warum es das sein sollte.
Es gibt gute Arten über Asatru zu reden, und es gibt andere, welche nur Missgunst hervorrufen werden. Gut möglich, dass du diese anderen Arten bereits selber erlebt hast, wo du selber das Ziel von jemandem mit einer anderen Religion warst, die für dich überhaupt nicht passt. Die besten Argumente für das Heidentum sind simpel: Sei gastfreundschaftlich, jemand, den man respektieren kann, und sei in der Gesellschaft der Götter. Wenn du die Art von Person bist, die seinen Glauben nach aussen tragen will, dann werden diese Dinge das klar tun und für andere sichtbar sein.
Und was jetzt?
Auf diese Frage gibt es keine einfache Antwort. Manche moderne Heiden sind selber nicht mehr jung, aber die Rekonstruktion unserer Religion fängt gerade erst an, und wir sind immer noch dabei, viele Dinge herauszufinden. Deine Erfahrung ist wertvoll und wir freuen uns darauf, dich kennen zu lernen.
Willkommen.
Heil!

Dieser Beitrag ist inspiriert von If You’re New to Asatru von Steven Abell und Advice for folks new to Ásatrú von Ale Glad, ergänzt durch eigene Erfahrungen und Erlebnissen.
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